Through the Alps Women's Edition 2025
- Brian Wörndl

- vor 2 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Ich bin nicht mitgefahren. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil es nicht mein Platz war – zumindest nicht auf dem Rad. Stattdessen: Notizbuch statt Trikot, Sneakers statt Klickpedale. Und der Versuch, zu verstehen, was diese Tour eigentlich ausmacht, wenn man nicht selbst im Sattel sitzt. Was ich gesehen habe, war keine klassische Ausfahrt. Kein Kilometerfressen, kein Pulsmessen, kein Zielzeiten-Talk. Es war vielmehr ein Tag, an dem man spürt, was passiert, wenn Frauen zusammen unterwegs sind – nicht um sich zu messen, sondern um sich zu verbinden.

Es ist der Abend nach der Königsetappe. Der Blick in die Gesichter der Teilnehmerinnen erzählt mehr als jeder Höhenmeter: müde Augen, aber hellwach. Keine Spur von Hektik oder Druck. Stattdessen liegt da eine spürbare Ruhe in der Luft – vielleicht, weil die größte Anstrengung schon hinter ihnen liegt. 3.000 Höhenmeter, teils im Regen, oft am Limit. Und doch sitzen sie jetzt beim Abendessen zusammen, lachen, erzählen, hören einander zu. Nicht oberflächlich, nicht aufgesetzt – sondern ehrlich und offen.
Der Raum ist bunt: Frauen Anfang 20, andere Mitte 50, dazu unterschiedlichste Berufe, Backgrounds und Rad-Erfahrungen. Und trotzdem wirkt alles wie aus einem Guss. Was zählt, ist nicht die FTP-Zahl, sondern die Haltung. Wer hier mitfährt, will draußen sein. Will ankommen – bei sich und bei anderen. Und so entstehen Geschichten, die nichts mit Wattzahlen zu tun haben, sondern mit Gemeinschaft. Manchmal reichen schon ein paar Blicke in die Gesichter der Frauen, um zu wissen: Das hier ist mehr als nur Radfahren. Das ist Sisterhood, wie man sie nicht planen kann.
Früher Morgen, zwei Gruppen, ohne Rollenverteilung
Am nächsten Tag ist es still, als wir das Hotel verlassen. Die Straßen noch feucht vom Regen, die Stimmung konzentriert, aber gelöst. Drinnen dampft der Kaffee, draußen sortieren sich zwei Gruppen: die „Dolphins“ und die „Butterflies“. Wer wo mitfährt? Entscheidet das Gefühl – nicht das Ego. Es gibt keinen versteckten Wettkampf, keine Taktikspielchen. Nur die Fragen: Wie fühlst du dich heute? Was brauchst du?
Angeführt wird das Ganze von Frauen, die nicht nur wissen, wie man Rad fährt, sondern vor allem, wie man Menschen mitnimmt. Maia zum Beispiel, Guide aus Chile, heute zuhause in Girona. Eine, die mit einem Satz Ruhe in eine Gruppe bringen kann – oder auch einfach mit einem Blick. Und dann Jacqueline: Cycling Coach, Personalberaterin aus Wien, gerade erst bei der Challenge Roth im Ziel gewesen. Ihre Glitzerschuhe blitzen, die Renn-Tattoos sind noch nicht verblasst – genauso wenig wie ihr Gespür für Tempo, Technik und Takt.
Barbara und Julia komplettieren das Team – beide aus Tübingen, beide am liebsten draußen unterwegs: auf dem Rad, in den Bergen oder einfach dort, wo’s nach Abenteuer riecht. Barbara fährt das Servicefahrzeug, Julia das Rad. Zusammen sorgen sie dafür, dass sich niemand kümmern muss. Und das ist mehr als Luxus – das ist Freiheit.
Auf Strecke: Achensee, Sylvensteinsee und das, was man nicht planen kann
Die ersten Kilometer rollen locker an. Im Zillertal geht’s flach dahin, dann wird’s ernster: der Anstieg zum Achensee. Nicht brutal, aber ehrlich. Oben wartet das Karwendelgebirge – und ein Moment, der still macht. Die Gruppe hält an. Nicht, weil jemand muss, sondern weil alle wollen. Es ist einer dieser Stopps, bei dem man das Handy nicht zückt sondern stattdessen einfach mal in die Landschaft schaut.

Später geht's nach Bayern. Der Sylvensteinsee taucht hinter einer Kurve auf - wie gemalt. Grün-blau, spiegelglatt, fast unecht. Wir halten an. Schuhe aus, Brotzeit raus, Sonne auf der Haut. Es ist ein Moment zum Festhalten, aber ohne Druck, ihn perfekt machen zu müssen. Einfach dasitzen, einfach sein.
Was auffällt: Es wird viel gesprochen. Aber nicht ständig. Manchmal herrscht einfach Stille – und das ist okay. Gespräche über Schaltung und Sattel wechseln sich ab mit Themen wie Lebensläufen, Ängsten und Zielen. Manchmal redet man auch einfach über gar nichts. Es geht nicht um Leistung, sondern um Präsenz. Nicht um Vergleich, sondern um Verbindung.
Support? Macht den Unterschied
Was viele vergessen: Wie viel leichter alles wird, wenn man sich um nichts kümmern muss. Gepäck? Im Van. Snacks, Gels, Getränke? Immer da, wo man sie braucht. Keine muss daran denken, ob sie die Regenjacke eingepackt hat. Niemand hat das Gefühl, zurückzubleiben, falls man einen Platten bekommt oder die Beine nicht wollen. Hier kümmern sich andere – damit die Radfahrerinnen sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Und das ist eben nicht das Material, sondern das Gefühl. Den Fahrtwind zu spüren und einfach mal zusammen durch die Alpen zu brettern.

Kaffeepause in Grainau: Drei Worte, die bleiben
Mittag, Grainau. Ein kleines Café, draußen knirscht der Kies unter den Radschuhen. Espresso, Cola, Apfelkuchen. Ich setze mich zu Theresa, 35, aus Hessen. Sie pausiert heute, Knie zwickt. Aber sie ist voll drin – emotional, sozial, mittendrin eben. Sie kommt eigentlich aus dem Triathlon, kennt auch den Allgäu Triathlon gut. Aber das hier? Das fühlt sich für sie anders an.
„Was mich hier berührt,“ sagt sie, „ist das Miteinander." Keine Show, kein elitärer Vibe – einfach echtes Aufeinander-Achten.“ Als ich sie frage, was sie am meisten mitnimmt, sagt sie ohne zu zögern drei Worte: Verbundenheit. Vielfalt. Stärke. Und dann beschreibt sie es so, wie man es besser nicht sagen kann: „Kurz vor den Gipfeln. Wenn du fast nichts mehr im Tank hast, aber dann dieses Panorama siehst – dann weißt du, wofür du fährst.“

Finale: Eibsee, Gänsehaut und ein Fluss
Am Nachmittag nähern wir uns dem Eibsee. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken, das Wasser liegt da wie gemalt. Einige halten an. Keine Zeitnahme, keine Absprache. Noch ein letztes Mal dieser Moment von Freiheit, der sich nur schwer festhalten lässt – aber genau deshalb so viel bedeutet.
Dann: Ankunft im Explorer Hotel Garmisch. Die Räder werden abgestellt, Helme fallen in die Ecke. Einige springen direkt in die Loisach hinter dem Haus – das Wasser eiskalt, das Lachen laut. Keine Ahnung, ob es das Wasser ist oder die Endorphine. Wahrscheinlich beides. Oben im Hotel warten Waschstation, Sauna, Bar. Alles gewohnt, alles unaufgeregt – und genau richtig nach so einem Tag.
Mein Fazit:
Ich war nur einen Tag dabei. Ein Tag an der Seitenlinie – und trotzdem mittendrin. Keine Zahlen, keine Startnummer, kein Druck. Und gerade deshalb so viel gesehen: Wie Radfahren sein kann, wenn niemand etwas beweisen muss. Wenn es nicht darum geht, wer am schnellsten oben ist, sondern wer mit wem oben ankommt.
Die Women’s TTA ist keine klassische Tour, kein Trainingslager oder Coaching-Event. Sie ist eher ein bewegter Raum – zwischen Bewegung, Begegnung und dem, was sonst oft zu kurz kommt: Zeit füreinander. Und für sich selbst.
Am Ende geht’s hier nicht um Topform oder Taktik. Sondern um Verbindung. Zwischen Menschen, zwischen Etappen. Und manchmal auch zwischen all dem, was man unterwegs loslässt.
Und vielleicht ist genau das das größte Geschenk dieser Tour: Dass man am Ende nicht nur ankommt – sondern auch ein Stück anders weiterfährt.
Brian Wörndl




















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